Hochpräzisionsbestrahlung ersetzt Metastasen-OP
- Beitrag von DEGRO
- Datum: Juni 2019
Die sogenannte ablative Strahlentherapie kann mit der Technik der Stereotaxie Tumor oder Metastasen mit der gleichen Präzision eines Skalpells entfernen. Das Verfahren ist bereits bei Hirntumoren und Hirnmetastasen im Einsatz und kann offensichtlich auch bei bestimmten Patienten mit nichtkleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC) eine wirksame und sogar nebenwirkungsärmere Option darstellen. Darüber hinaus ist der kombinierte Einsatz von Bestrahlung und zielgerichteten Medikamenten ein vielversprechender Ansatz für die Zukunft, wie Studiendaten zeigen, die auf der DEGRO-Jahrestagung in Münster vorgestellt werden.
Die moderne Hochpräzisionsbestrahlung ermöglicht eine punktgenaue, hochdosierte Bestrahlung von Tumoren und Metastasen. Man spricht hier auch von „Radiochirurgie“, da die Abtragung (Ablation) des Tumorgewebes so gründlich und millimetergenau wie mit dem Skalpell erfolgen kann. „Eine ablative Hochpräzisionsbestrahlung ist heute oftmals genauso effektiv wie eine Metastasen-Operation, aber nicht-invasiv und daher sicherer für die Patienten“, erklärt Prof. Dr. Matthias Guckenberger, Direktor der Klinik für Radioonkologie, UniversitätsSpital Zürich. „Beim NSCLC ist bei bis zur Hälfte der Patienten die Metastasierung auf wenige Absiedlungen begrenzt [1] und dann kann mit einer Radiochirurgie und begleitenden systemischen Therapie bei einem Teil der Patienten eine Heilung erzielt werden.“
Stereotaktische Bestrahlungsverfahren kommen bereits als Standardbehandlung zur Behandlung von vereinzelten Hirnmetastasen zum Einsatz. Hierzu werden auf dem DEGRO-Kongress die Ergebnisse einer Umfrage aus dem deutschsprachigen Raum vorgestellt [2]. Ziel war es, einen aktuellen Überblick über die Praxis der Therapieplanung und -durchführung sowie unterschiedliche Zielvolumendefinitionen und Dosiskonzepte zu erhalten. Den 1.408 DEGRO-Mitgliedern wurde
zwischen Dezember 2018 und Januar 2019 ein E-Mail-basierter Fragebogen zugesandt. 132 ärztliche Teilnehmer antworteten, davon 120 Fachärzte (darunter 25 Chefärzte und 16 Praxisinhaber). Das Ergebnis zeigte zwischen den Behandlungszentren Unterschiede in einzelnen Details der radiochirurgischen Behandlung – beispielsweise bei der Lagerungskontrolle der Patienten oder der Bestrahlungsplanung (Kontrastmitteleinsatz, CT-Schichtdicke, Verschreibungsdosen und
Fraktionierungs-Schemata). Als Ursachen für diese heterogenen Behandlungskonzepte wurden unterschiedliche Hardware, zentrumseigene Erfahrungen sowie institutionelle Besonderheiten ermittelt bzw. diskutiert. Insgesamt war das Qualitätsniveau radiochirurgischen Behandlung im gesamten deutschsprachigen Raum flächendeckend sehr hoch. Prof. Dr. Matthias Guckenberger ergänzt: „Wir wünschen uns für die Zukunft eine deutschland- oder europaweite Datenbank, in der die Vorgehensweisen und alle Ergebnisse erfasst und gemeinsam analysiert werden können. Ziel muss ein, zukünftig Leitlinien für die stereotaktische Bestrahlung zu erstellen, damit unsere Patienten von einer bestmöglichen und gleichzeitig sicheren Therapie profitieren können.
Insbesondere die Kombination der stereotaktischen Radiotherapie (SRT) mit medikamentösen Immun- bzw. zielgerichteten Therapien zeigt vielversprechende Ergebnisse: Radiochirurgie zum Abtöten der großen, sichtbaren Metastasen und die medikamentöse Therapie zum Abtöten von Absiedlungen, die so klein sind, dass sie noch nicht sichtbar sind. Dazu wird aktuell auf dem Kongress in Münster eine internationale Registerstudie (TOaSTT) von Patienten mit oligoresistentem oder oligoprogressivem NSCLC vorgestellt [3]. Es gab drei Studiengruppen: Patienten mit SRT von maximal fünf Metastasen ohne zusätzliche Metastasierung (Oligoprogression), Patienten mit SRT von maximal fünf fortschreitenden Metastasen bei sonstiger Metastasenkontrolle (Oligopersistenz) und Patienten mit SRT von maximal fünf Metastasen bei nicht-kontrollierter Erkrankung. Die Bestrahlung erfolgte höchstens 30 Tage nach der medikamentösen Therapie. Insgesamt wurden 192 Mettastasen bei 108 Patienten bestrahlt (2009-2018). Nachgewiesene „treibende“ Genmutationen betrafen bei 41% den EGFR („Epidermal-Growth
Factor Receptor“), ALK-Mutationen in 14% und sonstige bei 21%. Die zielgerichteten Therapien waren in 60% Tyrosinkinaseinhibitoren, in 31% sogenannte Immun-Checkpoint-Inhibitoren und in 8% Bevacizumab (ein Angiogenesehemmer). Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 18,7 (1-102) Monaten wurde in allen drei Gruppen eine hohe lokale Tumorkontrolle erreicht. Das mediane progressionsfreie Überleben war in Gruppe 1 (Oligoprogression) mit 20 Monaten am besten – gegenüber 7 Monaten (bei Oligopersistenz) und 4,4 Monaten (bei nicht-kontrollierter Erkrankung).
Nach einem Jahr wurde die vorherige medikamentöse Therapie in den Gruppen bei 86%, 47% und 39% fortgesetzt. Akute schwerere Nebenwirkungen gab es in 7%, Spättoxizität in 4% der Fälle. „Zusammenfassend konnte bei NSCLC-Patienten durch die stereotaktische Bestrahlung von vereinzelten Metastasen, die Resistenzen gegen die systemische Therapie entwickelt hatten, diese ansonsten wirksame und gut verträgliche Immuntherapie oder zielgerichtete Therapie fortgesetzt werden, was ein sehr gutes Überleben bei akzeptabler Toxizität erzielte“, so Prof. Guckenberger. „Man geht inzwischen von einem über den rein additiven Effekt hinausgehenden, synergistischen Effekt zwischen Immun- und Strahlentherapie aus, der unbedingt in großen Studien weiter untersucht werden sollte“, ergänzt Frau Prof. Dr. Stephanie E. Combs, Pressesprecherin der DEGRO. „Die Strahlentherapie wird vor diesem Hintergrund in der Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen. Durch sie kann die Wirksamkeit moderner Krebsmedikamente maximiert werden.“
Literatur[1] Torok J, Kelsey C, Salama J et al. Patterns of Distant Metastases in Surgically Managed Early-Stage Non-Small Cell Lung
Cancer. IJROBP 2013; 87(2): Supp S528–S529[2] Mayinger M, Kraft J, Willmann J et al. Guckenberger M. Stereotaktische Radiotherapie von cerebralen Metastasen –
Patterns of care Analyse im Deutschsprachigen Raum. DEGRO-Kongress 2019; VS10-5-jD[3] Kroeze S, Fritz C, Kaul D et al., Guckenberger M. Stereotactic radiotherapy concurrent to immune- or targeted therapy
for oligometastatic NSCLC: clinical scenarios affecting prognosis. DEGRO-Kongress 2019; VS15-1-jD
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Strahlentherapie beim Hodgkin-Lymphom – ist weniger manchmal mehr?
- Beitrag von DEGRO
- Datum: Juni 2019
Das Hodgkin-Lymphom, eine Form des Lymphdrüsenkrebses, ist eine der häufigsten Krebserkrankungen im jungen Erwachsenenalter. Durch moderne Behandlungskonzepte sind die Heilungsaussichten heute groß und die 5-Jahres-Überlebensrate liegt bei mehr als 90%. Mögliche Spätfolgen der Behandlung – wie Organschäden und Zweitmalignome – erlangen dadurch zunehmende Bedeutung für die Lebensqualität und Langzeitmortalität. Entsprechend wird in klinischen Studien eine mögliche Therapie-Deeskalation erprobt. Der aktuelle Behandlungsstandard des Hodgkin-Lymphoms sowie aktuelle Perspektiven der klinischen und experimentellen Forschung werden auf dem diesjährigen Jahreskongress der DEGRO thematisiert.
Das Hodgkin-Lymphom (auch Morbus Hodgkin) gehört zu den bösartigen Erkrankungen des lymphatischen Systems und befällt in erster Linie die Lymphknoten. Aber auch andere Organe wie die Milz oder die hinter dem Brustbein gelegene Thymusdrüse, die Lunge, das Knochenmark oder die Leber können betroffen sein. Die jährliche Inzidenz beträgt 2-3/100.000 [1], sodass das Hodgkin-Lymphom eine der häufigsten Krebserkrankungen junger Erwachsener ist (mittleres Alter 42-44 Jahre, zwei Erkrankungsgipfel: bei 20-30 Jahren und nach dem 55. Lebensjahr). Die Erkrankung ist heute mehrheitlich heilbar und das 5-Jahresüberleben beträgt über 90%. Das war nicht immer so – die Anfänge der Hodgkin-Therapie reichen in die frühen 20er Jahre des 20. Jahrhunderts zurück, als man entdeckte, dass eine Heilung allein mit einer Strahlentherapie möglich ist. Diese bemerkenswerte Historie wird Prof. Richard Hoppe, Stanford/ USA, in einer „Keynote Lecture“ illustrieren. Prof. Hoppe gilt als ein Pionier und Vorreiter der Hodgkin-Behandlung und ist weltweit ein gern gesehener Gast auf radioonkologischen Kongressen.
Aktuell werden Hodgkin-Lymphome meist kombiniert mittels Strahlen- und Chemotherapie, entsprechend der S3-Leitlinie [2], behandelt. Das gute Überleben nach einer modernen Hodgkin-Therapie wirft die Frage auf, inwieweit die Therapieintensität und damit langfristige Folgen (wie Herz- und Lungenschäden oder Sekundärtumoren) zu verringern sind, bei gleichzeitigem Erhalt der exzellenten Behandlungsergebnisse.
„Um die therapieassoziierte Morbidität und Mortalität zu senken, wird seit mehr als 30 Jahren in großen Studien an der Optimierung bzw. Minimierung der Therapie geforscht – ohne dass dabei Effektivitätseinbußen riskiert werden düfen“, erläutert Prof. Dr. Hans Eich, Tagungspräsident des DEGRO-Kongresses 2019 und Direktor der Klinik für Strahlentherapie-Radioonkologie der Universitätsklinik Münster. Er ist zudem stellvertretender Leiter der Referenzstrahlentherapie der Deutschen Hodgkin Lymphom Studiengruppe (GHSG) und Mitglied des Steering Committee der International Lymphoma Radiation Oncology Group (ILROG), Vorstandsmitglied des Kompetenznetzes Maligne Lymphome e.V. (KML) sowie Mitglied des Leitungsgremiums der German Lymphoma Alliance (GLA).
Weitere Keynote-Speaker sind dieses Jahr Prof. Dr. Dr. h.c. Andreas Engert, Köln und Prof. Dr. Umberto Ricardi, Turin/Italien. Prof. Engert, Chairman und Leiter der GHSG, wird „Aktuelle Ergebnisse und Perspektiven der Deutschen Hodgkin-Lymphom Studiengruppe“ vortragen [3]. Die GHSG (mit ihrer Zentrale in Köln) vernetzt über 400 Tumorzentren aus fünf europäischen Ländern. „Die GHSG konnte bereits über 20.000 Patienten in Studien einschließen – eine respektable Zahl wie sie in diesem Umfang weltweit nur selten anzutreffen ist“ betont Prof. Eich.
Die 16. Studie der GHSG (HD16) [4] ist eine randomisierte, multizentrische Phase-III-Studie und untersucht eine mögliche Individualisierung der risikoadaptierten Chemo- und Strahlentherapie für Patienten mit frühen Stadien des Hodgkin Lymphoms in der Primärtherapie. Patienten im Alter von
18-75 Jahren mit der Erstdiagnose eines Hodgkin-Lymphoms wurden randomisiert in eine Standard- und eine experimentelle Gruppe eingeteilt. Alle erhielten gleichermaßen zwei ABVD-Chemotherapie-Zyklen (Adriamycin, Bleomycin, Vinblastin und Dacarbazin). Danach erfolgte eine Untersuchung mittels Positronen-Emissions-Tomographie (PET) zur Kontrolle des Therapieansprechens auf ABVD. Die Patienten des Standardarms erhielten ungeachtet dessen alle eine Bestrahlung als involved-field Bestrahlung mit 20 Gy. Im experimentellen Arm wurden nur die Patienten mit 20 Gy bestrahlt, die PET-positiv waren, d. h. die noch stoffwechselaktive (metabolische) Tumorreste in der Bildgebung aufwiesen. PET-negative Patienten wurden nicht bestrahlt. Studienziel war es zu evaluieren, ob die PET-stratifizierte Therapie gegenüber der kombinierten Chemo-Strahlentherapie hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens nicht unterlegen ist. Nach der Präsentation erster Ergebnisse auf dem internationalen Hodgkinkongress im letzten Jahr wird die Publikation dieser innovativen Studie in Kürze erwartet. „Konzepte zur Minimierung der Toxizität ohne Verschlechterung der Therapieeffektivität können künftig entscheidend zu den Langzeitergebnissen der Hodgkin-
Behandlung beitragen“, so Prof. Eich. „Dennoch wird bei einem nicht unerheblichen Teil der Patienten die Bestrahlung für eine Heilung weiterhin erforderlich sein. Wir hoffen, künftig diese Patienten bereits im Vorfeld PET-diagnostisch zu identifizieren.“
Die Therapieintensität muss sorgsam abgewogen werden, um nicht durch Langzeittoxizitäten die gute Langzeitprognose zu belasten. Es gibt jedoch auch besonders aggressive Tumorarten. Prof. Ricardi, Turin/Italien, Präsident der Europäischen Gesellschaft für Strahlentherapie und Onkologie (ESTRO – European Society for Radiotherapy and Oncology) wird im Rahmen einer weiteren „Keynote Lecture“ einen Vortrag zur „Rolle der Strahlentherapie bei aggressiven Lymphomen“ halten [5]. Außerdem wird ihm auf dem Jahreskongress die DEGRO-Ehrenmitgliedschaft verliehen.
Neben besonders aggressiven Lymphomarten stellen therapieresistente Verläufe sowie Rückfälle (Rezidive) des Hodgkin-Lymphoms eine große Herausforderung für die Behandlung dar, da das optimale Vorgehen in diesen Situationen nicht abschließend geklärt ist. Eine weitere Studie, die auf dem DEGRO-Kongress vorgestellt wird [6], untersuchte bei 17 Patienten eines Zentrums die Rezidivmuster des Hodgkin-Lymphoms und analysierte dabei die klinische Bedeutung der
Radiotherapie. Zum Rezidiv kam es im Median nach zwei Jahren. Frühe Hodgkin-Stadien hatten ein mittleres rezidivfreies Überleben von 7,8 Jahren, intermediäre und fortgeschrittene Stadien hingegen nur von 1,6 und 2,2 Jahren. Bei Patienten, die eine Strahlentherapie erhalten hatten, traten die
Rezidive später auf als ohne Bestrahlung (Median 2,8 gegenüber 1,3 Jahren). Etwa die Hälfte der Rezidivpatienten wurde bestrahlt und auch bei einem zweiten Rezidiv erhielten viele Patienten eine erneute Strahlentherapie. „Die Strahlentherapie als Lokaltherapie hat somit auch bei der Rezidivbehandlung des Hodgkin-Lymphoms eine wichtige Rolle“, kommentiert Prof. Eich.
Weitere wissenschaftliche Beiträge zum Hodgkin-Lymphom auf dem Jahreskongress der DEGRO befassen sich mit dem „Pro und Kontra“ einer intensitätsmodulierten Radiotherapie (IMRT), mit dem Stellenwert der Radiotherapie bei Kindern sowie der Protonenbestrahlung von Befällen im
Mittelfellraum (Mediastinum). Im Fall der Protonentherapie stellt das „Pencil Beam Scanning (PBS)“ eine neue Technik dar [7], um auch Patienten mit besonders hohem Risiko für Strahlenschäden effektiv und sicher zu behandeln.
„Zusammenfassend liegen die Studienschwerpunkte beim Morbus Hodgkin heute auf der Therapie-Deeskalation für frühe Erkrankungsstadien“, so Frau Prof. Dr. Stephanie E. Combs, Pressesprecherin der DEGRO. „Zudem müssen die Therapieempfehlungen für intermediäre und fortgeschrittene Stadien sowie bei Rezidiven konkretisiert und optimiert werden.“ Sie ergänzt abschließend: „In allen Fällen bleibt natürlich eine gute Nachsorge essenziell für die Patienten, damit Rezidive und späte Therapietoxizitäten rechtzeitig erkannt und behandelt werden.“
Literatur
[1] Rancea M, Engert A, von Tresckow B et al. Hodgkin’s lymphoma in adults: diagnosis, treatment and follow-up. Dtsch
Arztebl Int 2013; 110 (11): 177-83, 183e1-3
[2] https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/hodgkin-lymphom/
[3] Engert A. Aktuelle Ergebnisse und Perspektiven der Deutschen Hodgkin-Lymphom Studiengruppe (GHSG). HL03-2 –
DEGRO-Kongress Münster 2019
[4] Baues C. Stellenwert der konsolidierenden Involved Field Radiotherapie in frühen Stadien des Hodgkin Lymhoms
Endauswertung der HD 16 Studie. SY21-2 – DEGRO-Kongress Münster 2019
[5] Ricardi U. The role of radiotherapy in aggressive lymphoma. HL03-1 – DEGRO-Kongress Münster 2019
[6] Oertel M, Kriz J, Kerkhoff A et al. Rezidivmuster des Hodgkin-Lymphoms – eine klinische Analyse zur Bedeutung der
Radiotherapie. P13-4-jD – DEGRO-Kongress Münster 2019
Außerdem in: Constine LS, Yahalom J, Ng AK et al. The Role of Radiation Therapy in Patients With Relapsed or Refractory
Hodgkin Lymphoma: Guidelines From the International Lymphoma Radiation Oncology Group. Int J Radiat Oncol Biol Phys
2018; 100 (5): 1100-18
[7] Dědečková K, Kubeš J, Zapletalová S et al. Protonenbestrahlung mit der Technologie Pencil Beam Scanning für Patienten
mit mediastinalem Hodgkin Lymphom: Akute Toxizität und kurzfristige therapeutische Ergebnisse. VS06-1 – DEGRO-
Kongress Münster 2019
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Strahlentherapie im Alter – Fokus auf die Lebensqualität
- Beitrag von DEGRO
- Datum: Juni 2019
Die Altersentwicklung in Deutschland wird künftig für die medizinische Versorgung eine Herausforderung darstellen. Gerade bei der Krebsbehandlung wird zurzeit diskutiert, wie mit dem „grauen Tsunami“, der erwarteten drastischen Zunahme älterer Patienten, umzugehen ist. Im Rahmen patientenzentrierter, interdisziplinärer Versorgungskonzepte ist die Strahlentherapie eine effektive Möglichkeit, Leben zu verlängern ohne dabei die Lebensqualität zu beeinträchtigen. Wie wichtig aber ein spezialisiertes, individuelles geriatrisch-onkologisches Betreuungskonzept für die Lebensqualität in der Zeit nach der Bestrahlung ist, zeigen nun Daten aus der PIVOG-Folgestudie – vorgestellt auf dem DEGRO-Kongress 2019.
Die wachsende Zahl alter Menschen bringt für etliche medizinische Bereiche Herausforderungen mit sich – in diesem Kontext wird im deutschen Sprachraum oft vom „grauen Tsunami“ gesprochen (analog zu „Silver Tsunami“). In Europa weist Deutschland neben Italien die älteste Bevölkerung auf [1]: Über 20% der Einwohner sind hier älter als 65 Jahre. Innerhalb Deutschlands gibt es relativ große regionale Unterschiede mit „Hot Spots“ der Überalterung in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Da es entsprechend auch immer mehr und immer ältere Krebspatienten bis jenseits von 80 Jahren gibt, ist gerade die Versorgung der alten und sehr alten geriatrisch-onkologischen Patienten ein besonders drängendes Problem.
Für diese Patienten ist neben einer Lebensverlängerung die unmittelbare, aktuelle Lebensqualität durch bzw. während der Krebstherapie besonders wichtig. Es ist individuell zu prüfen, ob und wie ein alter Mensch von einer Krebstherapie optimal profitieren kann. „Eine kalendarische Altersgrenze für eine Therapie wird es dabei nie geben, da das biologische Alter entscheidend ist – so können 80-Jährige wie Anfang 70, aber auch wie über 90 Jahre anmuten“, erklärt Prof. Dirk Vordermark, Direktor der Universitätsklinik für Strahlentherapie in Halle. Das Vorgehen sollte mit dem Patienten und ggf. den Angehörigen gemeinsam besprochen werden, davor müssen alle geriatrischen Aspekte beurteilt werden („geriatrisches Assessment“). Wenn es bei der jeweiligen Tumorart möglich ist, fällt
bei alten Menschen häufig die Entscheidung zugunsten einer, meistens alleinigen, Strahlentherapie, aber die Kombination mit einer milden Chemotherapie ist möglich. „Das bedeutet aber nicht, dass wir nur palliativ bestrahlen – eine kurative Zielsetzung ist ungefähr bei der Hälfte der Patienten noch möglich“, betont Prof. Vordermark. „Eine Bestrahlung ist hocheffektiv, aber dennoch gut verträglich bzw. nebenwirkungsarm – beispielsweise im Vergleich zu vielen zur Wahl stehenden Chemotherapien. So ist beispielsweise bei alten und hochaltrigen Patienten im Frühstadium des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms die Hochpräzisionsbestrahlung bereits etabliert und so gut verträglich, dass nach einer neuen Studie [2] selbst zusätzliche Informationen des geriatrischen Assessments nur einen geringen Einfluss auf die Behandlungsergebnisse einschließlich der Lebensqualität während der Bestrahlungszeit hatten.“
Während in der Bestrahlungsphase die Lebensqualität hochaltriger Patienten in der Regel durch gute Planung, Überwachung und eventuelle Supportivmaßnahmen gut zu stabilisieren ist, so lässt sich jedoch nach dem Ende der Therapie über Monate hinweg häufig eine deutliche Verschlechterung der
Lebensqualität beobachten [3] – woraus abzuleiten ist, dass hier spezifische Versorgungskonzepte entwickelt werden müssen. Die PIVOG-Studie [4] konnte
erstmals zeigen, dass einer Verschlechterung der Lebensqualität in der Zeit nach der Therapie mit einer komplexen Intervention vorgebeugt werden kann („patientenzentriertes interdisziplinäres Versorgungskonzept für onkologisch-geriatrische Patienten“, PIVOG). Sie untersuchte und belegte den Nutzen eines geriatrischen Assessments mit patientenberichteter Lebensqualität und regelmäßiger telefonischer Nachsorge bzw. Befragung und individueller Beratung durch eine onkologische Fachpflegekraft. Die PIVOG-Studie wurde im Dezember 2018 mit dem „Lilly Quality of Life Preis“ (1. Preis) ausgezeichnet.
Aktuell wurde auf dem DEGRO-Kongress eine weiterführende Arbeit in Folge der PIVOG-Studie vorgestellt [5]. Die prospektive Beobachtungsstudie sollte beeinflussbare Faktoren identifizieren, die sich in der Zeit nach der Krebstherapie bei alten und sehr alten Menschen negativ auf die Lebensqualität auswirken – besonders im Hinblick auf die körperliche Funktionalität. 40 Tumorpatienten (16 Frauen, 24 Männer) im Alter von mindestens 65 Jahren (im Mittel 74,4 Jahre)
wurden vor dem Beginn einer Strahlentherapie sowie nach sechs und (noch ausstehend) zwölf Monaten untersucht. Am häufigsten war Lungenkrebs (n=19), 26 Patienten erhielten eine kombinierte Strahlenchemotherapie. Dokumentiert wurden Assessment-basierte und patientenberichtete Angaben (mündliche sowie postalische Befragungen). Dazu gehörten unter anderem basale und erweiterte Alltagskompetenzen (ADL/Activities of Daily Living und IADL/instrumental Activities of Daily Living). Dies sind beispielsweise Toilettengang, Duschen, Anziehen, Essen und Trinken, Telefonieren, Einkaufen, Hausarbeiten, Benutzung von
Verkehrsmitteln, Planung, Umgang mit Geld und Urteilsvermögen. Der Ernährungsstatus wurde anhand von Bioimpedanzanalysen, sowie der Eiweißkonzentration (Albumin) im Serum ermittelt.
Hinzu kamen Angaben zu Nikotin- und Alkoholkonsum, Kognition, sozialer Situation, Stimmungslage/Depressivität (Depressionsmodul PHQ-9), frühere und aktuelle körperliche Aktivität und Tests zu den körperlichen Funktionen (Handkraft, Aufsteh- und Gehtests). Im Ergebnis zeigte sich bereits bei der ersten Folgeuntersuchung sechs Monate nach der Therapie – gemessen an der körperlichen Funktionalität – ein klinisch relevanter Verlust gesundheitsbezogener
Lebensqualität (HRQOL/Health-related quality of life: von durchschnittlich 79,8 auf 65,0 Punkte), eine Zunahme von Bewegungseinschränkungen sowie der Fatigue-Symptomatik. Mit der körperlichen Funktionalität korrelierten dabei am stärksten das Serumalbumin und der PHQ9-Score.
„Wir konnten in der Studie wichtige, potenziell modifizierbaren Faktoren für einen Verlust an Lebensqualität bei alten Menschen in der Folgezeit nach der Strahlentherapie identifizieren“, fasst Prof. Vordermark zusammen. „Dies sind individuelle körperliche Aktivität, mentale Gesundheit
einschließlich der sozialen Situation sowie der Ernährungszustand.“ „Um Lebensqualität und körperliche Funktionalität älterer Krebspatienten langfristig zu erhalten, bedarf es offensichtlich eines ganz neuen geriatrisch-onkologischen Gesamtkonzeptes, beginnend mit dem geriatrischen Assessment und möglichen Supportivmaßnahmen, gefolgt von einer gezielten Nachsorge einschließlich einer Prophylaxe von körperlichen Funktionsverlusten“, so Frau Prof. Dr.
Stephanie E. Combs, Pressesprecherin der DEGRO. Nach der kommenden Auswertung der 12-Monats-Daten will das Studienteam zielgruppenorientierte
Interventionsstrategien entwickeln und in weiteren Studien überprüfen, ob sich die beschriebenen Risikofaktoren positiv beeinflussen lassen.
Literatur
[1] Vordermark D. Entscheidungsfindung und Therapieplanung bei geriatrisch onkologischen Patienten. Vortrag auf der
Jahrestagung der European Society of Radiation Oncology (ESTRO), Mailand 2019
[2] Jeppesen SS, Matzen LE, Brink C et al. Impact of comprehensive geriatric assessment on quality of life, overall survival,
and unplanned admission in patients with non-small cell lung cancer treated with stereotactic body radiotherapy. J Geriatr
Oncol 2018; 9 (6): 575-82
[3] Kaufmann A, Schmidt H, Ostheimer C et al. Quality of life in very elderly radiotherapy patients: a prospective pilot study
using the EORTC QLQ-ELD14 module. Support Care Cancer 2015; 23(7): 1883-92
[4] Schmidt H, Boese S, Lampe K et al. Transsectoral care of geriatric cancer patients based on comprehensive geriatric
assessment and patient-reported quality of life – Results of a multicenter study to develop and pilot test a patient-centered
interdisciplinary care concept for geriatric oncology patients (PIVOG). J Geriatr Oncol 2017; 8(4): 262-70
[5] Kooymann J, Medenwald D, Golla A et al. Die Entwicklung der körperlichen Funktionsfähigkeit älterer Krebspatientinnen
und Krebspatienten vor und 6 Monate nach Tumortherapie – eine prospektive Beobachtungsstudie. P18-6-jD. DEGRO-
Kongress, Münster 2019
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Antioxidantien können die Wirksamkeit der Brustkrebstherapie vermindern
- Beitrag von DEGRO
- Datum 23. April 2019
Dank der Fortschritte in der modernen Medizin haben die Heilungschancen bei Brustkrebs in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen. Neben der klassischen Schulmedizin wird auch auf anderen Gebieten geforscht, um das Überleben und vor allem die Lebensqualität der Patientinnen weiter zu verbessern. Gesunder Ernährung und auch sogenannten Ernährungsergänzungsmitteln
kommt dabei ein besonderes Interesse zu. Nun zeigte aber eine Studie, dass Antioxidantien – oft als lebensmittelchemische Wunderwaffe beschrieben – die Effektivität der Brustkrebsbehandlung vermindern können.
Brustkrebs ist in Deutschland die häufigste Krebserkrankung bei Frauen [1, 2]. Jedes Jahr erkranken daran über 70.000 Frauen (und ca. 700 Männer). Neben der primären Operation kommt bei der Mehrheit der Patientinnen eine moderne Strahlentherapie (mit oder ohne Hormon-, Chemo- oder weitere medikamentöse Therapien) zum Einsatz, die einen großen Anteil daran hat, dass die Heilungschancen in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen haben. Die 5-Jahres-
Überlebensrate liegt heute bei ca. 88 %, die 10-Jahres-Überlebensrate bei 82 %.
Neben der klassischen Schulmedizin wird auch auf anderen Gebieten geforscht, um das Überleben der Patientinnen weiter zu verbessern. Ein großes Forschungsfeld stellt heute in jeder Hinsicht die Ernährung dar. Ernährungsergänzungsmittel sind wörtlich „in aller Munde“, so auch die sogenannten
Antioxidantien, zu denen Vitamine (wie Vitamin C und E), Mineralien (wie Zink und Selen) und sekundäre Pflanzenstoffe (wie Carotinoide, Flavonoide, Saponine) gehören. Antioxidantien (auch Radikalfänger) werden oft als lebensmittelchemische Wunderwaffe beschrieben, da sie unsere Zellen vor Schäden durch freie Radikale schützen.
Freie Radikale entstehen als Abfallprodukte bei normalen Stoffwechselvorgängen; es handelt sich dabei um sauerstoffhaltige, chemisch instabile und daher sehr reaktionsfreudige Moleküle, die nach dem Muster einer Kettenreaktion andere Moleküle bzw. Zellen angreifen (oxidieren) und schädigen. Ihr Auftreten lässt sich nicht vermeiden, aber der Körper besitzt antioxidative Mechanismen. Bestimmte Umstände verstärken jedoch die Entstehung aggressiver Radikalverbindungen,
beispielsweise Stress, Zigarettenrauch, falsche Ernährung, Sonnenbaden, Umwelttoxine und andere Umwelteinflüsse. Ein Überschuss an freien Radikalen, die der Körper nicht mehr ausreichend abfangen kann, bewirkt oxidativen Zellstress, d. h. intakte Moleküle, Eiweiße und Enzyme, Zellmembranen und Rezeptoren
der Zelloberflächen, aber auch die DNA, werden in zunehmendem Maße oxidiert und in ihren Funktionen gestört. So scheint oxidativer Stress im Zusammenhang mit vielen Erkrankungen und Beschwerden zu stehen. Dies betrifft besonders die Alterung und Schädigung von Blutgefäßen und des Herz-Kreislauf-Systems, der Haut (Zerstörung von Kollagen), Augen und Gelenke. Auch bei der Krebsentstehung spielen freie Radikale eine Rolle. Eine gesunde Ernährung, die unter anderem reich an Antioxidantien ist, wirkt daher prinzipiell der Entstehung von Krebs entgegen.
Ob die Nahrungssupplementierung mit Antioxidantien jedoch für Krebspatienten, insbesondere während der Therapie von Nutzen ist, wird kontrovers diskutiert [3]; die Ergebnisse bisheriger Studien waren insgesamt nicht eindeutig und uneinheitlich. Die offiziellen Empfehlungen lauten, dass während Bestrahlung und/oder Chemotherapie soweit möglich auf Antioxidantienzusätze verzichtet werden sollte [4], weil der antioxidative Schutzeffekt die Wirkung einer Krebstherapie abschwächen kann, da nicht nur gesunde Zellen, sondern auch Krebszellen vor Schäden bewahrt werden.
Eine neue Studie aus Deutschland [5] hat nun diese Warnungen bestätigt – zumindest für Patientinnen mit postmenopausalen Brustkrebserkrankungen während laufender Therapie. Die Forscher analysierten, ob es Zusammenhänge zwischen der Einnahme von Antioxidantien und anderen Nahrungssupplementen und dem Verlauf bzw. der Prognose der Erkrankung gibt: Aus der MARIE-Studie („Mamma Carcinoma Risk Factor Investigation“) wurden Daten von 2.223 postmenopausalen Frauen mit nichtmetastasierendem Mammakarzinom ausgewertet. 36 % der Frauen hatten vor und 45 % nach ihrer Diagnose entsprechende Ernährungssupplemente eingenommen. Insgesamt gab es im Verlauf 240 Todesfälle, davon 134 Brustkrebs-assoziiert, und 200 Brustkrebs-Rückfälle (Rezidive). Während die Menge aller insgesamt eingenommenen Supplemente in keinem Zusammenhang mit der Brustkrebsprognose stand, zeigte sich, dass die Einnahme von Antioxidantien zeitgleich zur laufenden Krebstherapie (Bestrahlung oder Chemotherapie, insgesamt 1.940 Frauen) mit einer 1,6-fach höheren Mortalität und 1,8-fach höheren Rezidivrate assoziiert war.
Univ.-Prof. Dr. Stephanie E. Combs, Pressesprecherin der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO), fasst die Problematik zusammen: „Antioxidantien wirken Oxidationsvorgängen entgegen und können somit offensichtlich auch Schäden an Krebszellen abwenden, die man mit einer Bestrahlung und/oder Chemotherapie gerade erreichen möchte.“ Um alle Risiken zu vermeiden, sollte man daher mit dem behandelnden Onkologen über die Ernährung und besonders über jegliche Nahrungsergänzungsmittel sprechen. „Tatsächlich kann es durch Therapienebenwirkungen wie Erbrechen oder Schleimhautentzündung zur Unterversorgung mit bestimmten Nährstoffen kommen. Ein solcher Mangel kann aber gezielt diagnostiziert und mit geeigneten Präparaten behoben
werden“, erklärt Frau Prof. Combs.
Prof. Dr. Wilfried Budach, DEGRO-Präsident (Düsseldorf), ergänzt: „Natürlich wird Krebspatienten eine abwechslungsreiche, ausgewogene Ernährung empfohlen, die Obst und Gemüse, Eier, Milchprodukte, Fleisch und Fisch beinhaltet und natürliche Antioxidantien enthält. Von der Einnahme hochkonzentrierter Antioxidantien in Form von Nahrungsergänzungsmittel raten wir aber ab.“
Literatur
[1] Krebsregisterdaten Robert Koch Institut
https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Krebsgeschehen/Krebsgeschehen_download.pdf
?__blob=publicationFile
[2] https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/krebsarten/brustkrebs-
definition-und-haeufigkeit.html
[3] https://www.biokrebs.de/aerzte-informtionen/dzo-news/91-orthomolekulare-medizin-orthomolekulare-
medizin/364-antioxidantien-waehrend-chemotherapie
[4] https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/bewusst-leben/basis-
informationen-krebs-bewusst-leben-ernaehrung/nahrungsergaenzun.html
[5] Jung AY, Cai X, Thoene K et al. Antioxidant supplementation and breast cancer prognosis in postmenopausal
women undergoing chemotherapy and radiation therapy. Am J Clin Nutr 2019 Jan; 109(1): 69-78
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18-monatige Hormonentzugstherapie nach Bestrahlung kann bei
Hochrisiko-Prostatakrebs ausreichen
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- Kategorien Pressemitteilung
- Datum Januar 2019
Eine Behandlungsoption bei Patienten mit fortgeschrittenen oder Hochrisiko-Tumoren ohne Lymphknotenbefall oder Metastasen (cT3-cT4-Tumoren, PSA > 20ng/ml oder Gleason ≥ 8), ist die Strahlentherapie mit Langzeit-Hormonentzugstherapie. Während die Strahlentherapie relativ gut vertragen wird, treten bei vielen Patienten Probleme unter der Hormonentzugstherapie aus. Wie eine aktuelle Studie zeigt, kann die Therapie in diesen Fällen von 36 auf 18 Monate verkürzt werden – ohne dass dadurch das Gesamtüberleben beeinträchtigt wird.
Etwa drei von vier Prostatatumoren werden in einem frühen Stadium diagnostiziert. Doch bei einem Viertel der fast 65.000 Männer, die pro Jahr in Deutschland die Diagnose Prostatakrebs erhalten, ist der Tumor schon weiter vorangeschritten. Patienten der oben genannten Gruppen können grundsätzlich zwischen zwei gleichwertigen Erstbehandlungswegen wählen: Strahlentherapie kombiniert mit einer Hormonentzugstherapie ODER Operation. Als Nebenwirkungen der Strahlentherapie können allerdings bei etwa 3 von 100 behandelten Patienten schwere Blasen- oder Enddarmentzündungen auftreten. Nachteil der
Operation ist das höhere Risiko, nach dem Eingriff impotent oder inkontinent zu bleiben. Dieses Risiko besteht zwar grundsätzlich auch nach der Strahlentherapie, ist aber deutlich geringer als nach der operativen Prostataentfernung.
„Die Strahlentherapie ist also verhältnismäßig sanft und mit weniger Langzeitfolgen verbunden“, erklärt DEGRO-Pressesprecherin, Univ.-Prof. Dr. med. Stephanie Combs, Direktorin der Klinik für Radioonkologie und Strahlentherapie am Klinikum rechts der Isar der TU München. „Der Grund ist, dass bei der Strahlentherapie das Bestrahlungsfeld millimetergenau an den Tumor angepasst wird. Das ermöglicht, dass der Tumor selbst mit hohen Strahlendosen behandelt werden kann, das umliegende Gewebe aber geschont wird. Man nennt das Verfahren intensitätsmodulierte Strahlentherapie (IMRT), sie ist derzeit der Behandlungsstandard.“ Hormonentzugstherapie nach Bestrahlung: Halbe Dauer führte nicht zu einem kürzeren Überleben Kombiniert mit einer Strahlentherapie wird für diese Hochrisiko-Patienten immer eine Hormonentzugstherapie empfohlen. Bis dato gilt als Therapiestandard, diese medikamentöse
Therapie nach Möglichkeit über 36 Monate, mindestens aber über 24 Monate durchzuführen. Sehr häufig wird die Hormonentzugstherapie allerdings aufgrund von Nebenwirkungen nicht gut toleriert, da sie oft u.a. zu Hitzewallungen, depressiven Verstimmungen und vermindertem sexuellen Interesse/sexueller Aktivität durch den Testosteronabfall führen kann. Die Patienten empfinden die Therapie dann im Hinblick auf die Lebensqualität als stark beeinträchtigend. Eine große randomisierte Phase-III-Studie [1] zeigte im Herbst 2018, dass bei diesen Männern auch eine Verkürzung der Therapie erwogen werden kann. 630 Patienten erhielten zunächst vier Monate eine Hormonentzugstherapie und eine Strahlentherapie der Prostata und der Lymphabflusswege (44 Gy in 22 Fraktionen) und wurden anschließend randomisiert. Sie erhielten eine Fortsetzung der Prostatabestrahlung (insgesamt 70 Gy in 35 Fraktionen) und eine Hormonentzugstherapie entweder für weitere 32 oder weitere 14 Monate (Gesamtdauer der Hormonentzugstherapie: 36-oder 18-Monate). Primärer Endpunkte waren das Gesamtüberleben und die Lebensqualität. Wie sich im Ergebnis zeigte, wies die „Langzeit-Hormonentzugsgruppe“ nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 9,4 Jahren kein höheres Gesamtüberleben auf (p= 0,8), auch im Hinblick auf das krankheitsspezifische Überleben zeigten sich keine signifikanten Unterschiede (p= 0,8), allerdings waren in der Kurzzeitgruppe die PSA-Rückfälle signifikant häufiger. Bezüglich der Lebensqualität profitierten die Patienten in Bezug auf verschiedene Parameter von der kürzeren Hormonentzugstherapie signifikant: Es traten weniger körperliche Schwächen und Fatigue-Fälle, auch
weniger Fälle von Pflegebedürftigkeit auf, zudem signifikant weniger emotionale, soziale und sexuelle Beeinträchtigungen. „Das Ergebnis zeigt uns, dass wir bei Männern mit lokal fortgeschrittenem oder Hochrisiko-Prostatakarzinom die Therapiedauer der Hormonentzugstherapie auf 18 Monate verkürzen können,
ohne ihre Überlebensprognose zu beeinträchtigen. Es muss aber festgestellt werden, dass junge Prostatakrebspatienten mit einer Lebenserwartung von deutlich über 10 Jahren von einer Langzeithormontherapie von mehr als 18 Monaten eventuell profitieren, da die Nachbeobachtungszeit von knapp 10 Jahren in der vorliegenden Studie für diese Patienten noch nicht ausreichend lang ist und die PSA-Rückfallrate nach 10 Jahren in der Gruppe der 18-monatigen Hormonentzugstherapie signifikant höher war. Die Lebensqualität als wichtiges Kriterium für die Bewertung von Krebstherapien wird durch eine Verkürzung der Behandlungszeit auf 18 Monate signifikant verbessert ohne das Überleben zu kompromittieren.“, erklärt Priv. Doz. Dr. med. Dirk Böhmer, stellv. Klinikdirektor und Leitender Oberarzt der Klinik für Radioonkologie, Charité Universitätsmedizin, Campus Benjamin Franklin.
Literatur
[1] Nabid A, Carrier N, Martin AG et al. Duration of Androgen Deprivation Therapy in High-risk Prostate Cancer: A Randomized
Phase III Trial. Eur Urol. 2018 Oct;74(4):432-441
DEGRO-Pressestelle, Dr. Bettina Albers, Tel. 03643/ 776423, Mobil 0174/2165629
NEUE Publikation im LANCET – Ergebnisse einer randomisierten Studie (STAMPEDE-Trial)
Sie finden den kompletten Beitrag unter: https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(18)32486-3/fulltext
- Beitrag von LANCET
- Datum Dezember 2018
Strahlentherapie wird als Ersttherapie bei Prostatakrebs noch immer unterschätzt
- Beitrag von Degro
- Kategorien Pressemitteilung
- Datum Juni 2017
Viele Männer mit Tumoren, die auf die Prostata begrenzt sind und keine Metastasen gebildet haben, entscheiden sich immer noch für die Operation als „Firstline“-Therapie. Und dies, obwohl die Strahlentherapie ebenso effektiv wie die OP ist und mit einer geringeren Inkontinenz- und Impotenzrate einhergeht. Auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) in Berlin wurde daher u.a. diskutiert, wie die moderne Strahlentherapie als Ersttherapie stärker in den Fokus der Patienten und Behandler gerückt werden kann.
Jedes Jahr erhalten in Deutschland fast 65.000 Männer die Diagnose Prostatakrebs. Nicht allein die Erkrankung ist ein Schock für die Betroffenen, viele Patienten fühlen sich auch überfordert, wenn sie relativ zügig eine Therapieentscheidung fällen sollen. In den frühen, nicht-metastasierten Erkrankungsstadien, in denen Prostatakrebs am häufigsten diagnostiziert wird, haben die Patienten die Wahl zwischen Operation, Strahlentherapie und des „Zuwartens“ mit engmaschigem Beobachten („active surveillance“, eine aktive Therapie wird erst eingeleitet, wenn der Tumor zu wachsen beginnt). Der behandelnde Urologe berät den Patienten und klärt über die Vor- und Nachteile aller Verfahren auf, die bisher medizinisch als etwa gleichwertig eingestuft wurden.
Doch hier liegt möglicherweise ein „Bias“ im System, denn der beratende Urologe kann nur eine der angebotenen Therapieformen selbst durchführen: die Operation. Die Mehrzahl der Patienten in Deutschland entscheidet sich für den chirurgischen Eingriff, was aber nicht an einer unausgewogenen Aufklärung der Kollegen liegt, sondern vor allem psychologisch erklärbar scheint: Der Patient fasst Vertrauen zu dem Arzt, den er ggf. seit Jahren kennt, der ihm die Diagnose vermittelt und mit ihm die möglichen Therapiewege bespricht – und da liegt es nahe, dass der Patient auch eher die Therapieform wählt, die dieser Arzt selbst durchführen könnte. „Das ist vermutlich der Grund, warum die Strahlentherapie als „Firstline“-Therapie bei Prostatakrebs unterrepräsentiert ist, obwohl sie ebenso gute Ergebnisse zeigt und mit weniger Neben- und Folgewirkungen einhergeht als die OP, wie die ProtecT-Studie im vergangenen September gezeigt hat“, erklärt Prof. Dr. Daniel Zips vom Universitätsklinikum Tübingen.
In der ProtecT-Studie [1, 2] wurden 1.643 Patienten eingeschlossen und randomisiert. Nach zehn Jahren zeigte sich, dass die Patienten im Hinblick auf Erkrankungsprogression und Metastasierung von einer frühzeitigen Intervention (Operation oder Strahlentherapie) profitierten. Zwischen der Operation und Strahlentherapie gab es hinsichtlich der Wirksamkeit keine signifikanten Unterschiede, aber die Operation ging mit einer stärkeren Beeinträchtigung der Sexual- und der Harnwegsfunktion einher. Nach sechs Jahren waren 17% der operierten Patienten noch inkontinent (im Vergleich zu 4% der bestrahlten Patienten) und bei 22% konnte sich keine Erektion einstellen (im Vergleich zu 12% der bestrahlten Patienten). „Beides, Inkontinenz und Impotenz, sind Therapiefolgen, die die Lebensqualität der Patienten beeinträchtigen können und in einem deutlich geringeren Maße nach der Strahlentherapie auftreten. Die muss im Zusammenhang mit den etwas häufiger nach Bestrahlung auftretenden Nebenwirkungen am Darm mit den Patienten diskutiert werden“, so Professor Zips.
Prof. Dr. Stephanie E. Combs, Pressesprecherin der Deutschen Gesellschaft für Radiologie (DEGRO), sieht daher Bedarf, die Öffentlichkeit über die radioonkologische Behandlung zu informieren. „Die Strahlentherapie wird als „Firstline“-Therapie bei Tumoren, die auf die Prostata begrenzt sind und keine Metastasen gebildet haben, unterschätzt. Die wenigsten Patienten wissen, dass sie ebenso effizient ist wie die Operation, aber mit weniger Folgekomplikationen einhergeht. Die DEGRO setzt sich dafür ein, dass die Strahlentherapie in der Therapie des Prostatakarzinoms in ihrer ganzen Bandbreite wahrgenommen wird und eben nicht nur als `Salvage-Therapie´ nach Rückfall erwogen wird.“ Auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) in Berlin wurde daher diskutiert, wie die moderne Strahlentherapie als Ersttherapie stärker in den Fokus der Patienten und Behandler gerückt werden kann. Dabei ging es neben Aspekten der interdisziplinären Versorgung auch um die Information der Öffentlichkeit über erfolgreiche Innovationen wie der bildgeführten Strahlentherapie und der Hypofraktionierung [3].
Referenzen[1] Hamdy FC; Donovan JL, Lane JA et al. 10-Year Outcomes after Monitoring, Surgery, or Radiotherapy for Localized Prostate Cancer. N Engl J Med 2016; 375:1415-1424 [2] Donovan JL und die ProtecT Study Group. Patient-Reported Outcomes after Monitoring, Surgery, or Radiotherapy for Prostate Cancer. N Engl J Med. 2016; 1425-1437 [3] Höcht S, Aebersold DM, Albrecht C et al. Hypofractionated radiotherapy for localized prostate cancer. Strahlenther Onkol 2017 ;193: 1-12